Die Bonnie ist verkauft, ihr Platz unter dem Carport ist leer. Nur ein kleiner Fleckenteppich von Kettenfett erinnert an den Ort, auf dem sie sich nach den Touren durch den Schwarzwald, die Schwäbische Alb oder die Alpen ausruhen durfte.
Doch im Fitnessraum hängt und steht die komplette Motorradausrüstung. Und jedes Mal, wenn ich bei schlechtem Wetter auf den Crosstrainer steige, um die Knie und alles Übrige in Schwung zu bringen, dann umwehen mich diese Geister einer schönen Vergangenheit.
Das drückt auf das Gemüt.
Das muss weg
Also Anzeige 1
Motorradbekleidung
Motorradstiefel Alpinestars mit Gore-Text Membrane
Edle Rukka Kombination Jacke und Hose per Zipp verbunden
Schuberth C2 Klapphelm, Innenfutter neu, Visier leicht angekratzt
1 Paar wenig getragene Sommerhandschuhe von Macna
1 Paar wenig getragene Übergangshandschuhe „Touring Five“
Und Anzeige 2
Campingausrüstung
Zelt
Schlafsack
Campingsessel
Und schon bald kommen die Anfragen.
Ein junger Biker erscheint um 18 Uhr, geht alles durch, probiert alles an, ich schaue auf die Uhr. Dann geht er mit einem Paar Handschuhe und den beiden Stiefeln.
Eine E-Mail zur Rukka-Kombination.
O-Ton: „25 Euro?“
Ich bleibe ganz ruhig und tippe ein neutrales NEIN.
Drei Tage später: „35 Euro mit Versand möglich?“
Wir einigen uns auf 55 und die Rukka, mit der ich die Alpenpässe hoch und runter gefahren bin, geht zur Post.
Und das Zelt, dass mir auf den Campingplätzen in Italien, Frankreich und der Schweiz ein bescheidenes, aber nicht unkomfortables Heim bot?
Das holt ein Lehrer aus Markdorf. Der plant eine Fahrradtour in die Alpen. Mir wird die Kehle eng.

Wieder eine E-Mail: „Ist Schlafsack noch da?“
„Er ist.“
„Wie groß verpackt?“
„Steht in der Anzeige.“
„Kannst nich ein Foto schicken mit etwas neben verpackt? Ne Bierflasche oder so?“
Ich schicke das gewünschte Foto
„Das nehm ich.“
Funkstille. Anfrage, wann er denn kommen will.
„Im August bin ich am Bodensee. Komm dann vorbei.“
Wo er im Augenblick gerade ist, will ich wissen. Darauf erhalte ich jedoch keine Antwort.
Dafür steht eines Nachmittags eine june Dame mit ihrem Sohn vor der Tür. Sie dreißig, der Sohn fünf. Sie offenes Lächeln, der Sohn neugierige Augen. Sie würden gerne den Schlafsack kaufen. Wir gehen in den Fitnessraum, da liegt er auf dem Gästebett ausgebreitet. Sie prüft den Schlafsack, der Sohn schaut sich um.
„Ey, toll, was ist denn das da?“ Er zeigt in die Ecke. Aus einem kreisrunden goldenen Rahmen schaut etwas trübselig eine stumpfe Glasscheibe.
„Ein Bullauge.“
Das sagt ihm nun nichts. Aber als ich ihm erzähle, dass ich es in 20 Meter Wassertiefe vor der irischen Küste mit Hammer und Meißel von der „City of Chicago“ abgebaut habe, ist er begeistert. „Tauchen, cool, das mach ich auch mal.“
Seine Mutter ist mit dem Schlafsack sehr zufrieden, da entdeckt der Kleine den Crosstrainer. „Darf ich da mal rauf?“
Natürlich darf er und schon bringen seine kurzen Beine und dünnen Arme Hebel und Tretbretter energisch auf Schwung. „Was ist das?“ Ich erkläre, dass er damit die Belastung verändern kann. Schon drückt er auf den Pfeil nach oben. „Puh“, sagt er, „das wird jetzt aber schwer.“
Ich empfehle ihm, in drei Jahren wiederzukommen. Da sind seine Beine länger und die Arme stärker. „Tolle Idee, dann bin ich da“, und er steigt vom Crosstrainer. „Cooles Gerät!“
Die Frau, deren Vater aus Ghana stammt und die Mutter aus Markdorf, will sich mit ihrem pfiffigen Sohn und dem Schlafsack auf den Weg machen, da gehe ich an die Kommode und ziehe den flachen Campingstuhl heraus. Auf dem saß ich immer zufrieden und glücklich vor meinem Zeit, links in der Hand ein Glas Rotwein und in der Rechten einen Fetzen Baguette mit einer abenteuerlichen Terrine d’Armagnac oder einem Tomme de Savoie. Wenn der Kleine sich vor seinem Zelt in diesen Stuhl lümmeln würde, also das fände ich schön. Und so geht mit dem Schlafsack auch der Campingstuhl als Zugabe an die beiden.

„Den kann ich gut gebrauchen“, sagt der Kleine, „Danke.“ Und nach eine Pause: „In drei Jahren komme wieder, dann bin ich acht.“
„Super“, sage ich, „dann bin ich fast achtzig.“
Jetzt liegen nur noch der Motorradhelm und das zweite Paar Handschuhe im Regal.
Eine junge Frau schickt eine Mail. „Motorradhelm: 25 Euro OK?“
„Nein.“
„Na, dann nicht. Ich finde ihn eh nicht so schick. Aber für 25 wär er ein echtes Schnäppchen.“
Ehe ich mich in den Irrungen und Wirrungen der menschlichen Digitalseele verlieren kann, ruft Patrick an. Er würde gern um halb sechs vorbeikommen. Dann ist seine Arbeit vorbei. Er kommt aus Buggensegel gleich hier um die Ecke.
Um halb sechs höre ich vor dem Haus ein schwerfälliges Bub-bub-bub-bub-bub-bub, eine Einzylinder Enduro. Ich trete aus der Tür. Patrick, 22 Jahre alt, hochgewachsen und schlank, strahlende Jugend, nimmt seinen Helm vom Kopf, schwarzes Haar, feiner Oberlippenbart, schmales Gesicht. Sieht gut aus, der Junge.

Nein, nein, reinkommen will er nicht, er hat noch seine Arbeitsschuhe an.
Ich hole den Helm. Ein Klapphelm. Ich erkläre ihm die Mechanik, er setzt den Helm auf, klappt das Visier hoch.
„Steht dir gut, der Helm“, sage ich und das ist die aufrichtige Wahrheit. Die schmale Nase, der Oberlippenbart, die dunklen Augen, noch nie habe ich diesen Klapphelm so kleidsam gesehen. Ich sah immer aus wie eine freundliche Kröte.
Warum nur können junge Menschen tragen, was sie wollen,
und sehen doch immer gut aus (jedenfalls die meisten)?
Patrick besteigt mit seinen zwei Helmen, den einen auf dem Kopf, den anderen
hinten eingeklinkt, wieder seine Enduro. „Finde ich gut, wenn jemand seine
Sachen weitergibt“, sagt er und wummert davon.

Ich bleibe zurück mit dem zweiten Handschuhpaar. Was mache ich damit? Das kommt in die Vitrine neben das Nummernschild meiner alten BSA und den Lichtmaschinenanker der wunderschönen BMW 69/S.
